2011-09-20

LAMA RAUS! WIDER DEN TIBETISCHEN BUDDHISMUS/LAMAISMUS


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Am 18.Mai besucht das „politische und religiöse Oberhaupt der Tibeter“ (so will es zumindest die Tibet Initiative Deutschland), der Dalai Lama, im Rahmen einer erneuten Deutschlandtournee Nürnberg. Unter dem Motto „Menschenrechte als Verpflichtung. Lehren aus der Geschichte“ wird der Dalai Lama dabei sowohl einen Vortrag in der Nürnberger Arena halten als auch die Straße der Menschenrechte besuchen - wahrscheinlich unterstützt und begeistert gefeiert von einer Reihe argumentationsresistenter TibetfreundInnen, die im tibetischen „Gottkönig“ unverdrossen ein leuchtendes Beispiel für Friedfertigkeit, Güte und unendlicher Weisheit sehen wollen.

Tibet, heißt es in vielen Erklärungen der SympathisantInnen des sogenannten Vajrayana-Buddhismus, habe mit der chinesischen Besatzung von 1950 Frieden, Freiheit und Menschenrechte gegen Unterdrückung, den Verlust der tibetischen Kultur und – wie der Dalai Lama zu betonen nicht müde wird - einen „demographischen Genozid“ eingetauscht. Schlichweg negiert oder ignoriert wird in jenen Erklärungen hingegen der feudale Charakter des „alten Tibet“, in dem die kleine Mönchselite (etwa ein Prozent der Bevölkerung) das restliche Land gnadenlos ausbeutete. Im ach so friedlichen Tibet der Herrschaft des Dalai Lama war ein Großteil der Bevölkerung als Leibeigene oder unfreie Bauern versklavt, es existierten außerhalb der Klöster keinerlei Bildungseinrichtungen, Gesundheits- oder Hygieneeinrichtungen. Ebenso gehörten bis weit in das 20. Jahrhundert hinein öffentliches Auspeitschen und das Abschneiden von Gliedmaßen zum gängigen Strafenkatalog des „friedlichen“ tibetischen Strafrechts.

Sprechen UnterstützerInnen des tibetischen „Befreiungskampfs“ heute von der Friedfertigkeit der Mönchsclique um den Dalai Lama, unterschlagen sie dabei die blutige Geschichte der tibetischen Theokratie, innerhalb derer sich im 17. Jahrhundert eine besonders militante Sekte – der Gelbmützenorden – an die Macht kämpfte. Beinahe überflüssig zu erwähnen, dass ebendiese Sekte bis 1950 das Land Tibet uneingeschränkt beherrschte und der gegenwärtige Dalai Lama in Personalunion auch noch den derzeitigen Anführer dieser Sekte darstellt. Tibet-UnterstützerInnen behaupten obendrein, der friedliche Dalai Lama habe nach seiner Flucht 1959 ein demokratisches Exilregime im indischen Dharamsala installiert, und das obwohl der angebliche „Gottkönig“ bislang weder sich noch seine übrige „Regierung“ durch demokratische Wahlen hat legitimieren lassen.

In der gegenwärtigen Diskussion um Tibet und China spielt der Dalai Lama allerdings nicht nur als vermeintliches politisches sondern auch als geistiges Oberhaupt eine gewichtige Rolle. In der Suche nach spiritueller Erfüllung sehen viele TibetfreundInnen im tibetischen Buddhismus die friedfertige und menschenfreundliche Religion schlechthin, gleichwohl auch diese Religion im wesentlichen auf dem Schüren von Ängsten vor dem Jenseits und dem Unterdrücken der Gläubigen basiert. Der tibetische Lamaismus kennt nicht weniger als sechzehn verschiedene Höllen, in denen diejenigen, die die Dekrete der Lamas nicht befolgen, unter anderem damit zu rechnen hätten, dass sie zerquetscht, verbrannt oder von riesigen Messern in tausend Stücke geschnitten würden. Die jahrhundertelang fortgeführte Indoktrination der Lamas führt bei vielen tibetischen Gläubigen noch heute dazu, dass sie sich in Unterwerfungsritualen auf den Boden werfen und vor dem Potalapalast in Lhasa zu Staube kriechen oder tantrische Blut- und Kotrituale vollziehen, nur um sich des Wohlwollens des stets grinsenden geistigen Oberhaupts der TibeterInnen, des Dalai Lama, zu versichern.

Nun also besucht die „Wiedergeburt Chenresigs“ erneut Deutschland und bereits im Vorfeld wird im Großteil der bundesdeutschen Medien eine protibetische Werbetrommel für den Dalai Lama gerührt, auch anlässlich der im März ausgebrochenen Unruhen in Tibet und Nepal. Erneut wird zu jeder sich bietenden Gelegenheit darauf hingewiesen, dass China die tibetische Kultur – also die Kultur einer religiösen Terrorherrschaft – unterdrücke und friedlich protestierende TibeterInnen abschlachte. Es scheint in dieser Art der Berichterstattung dabei unerheblich zu sein, dass die ersten Toten dieser Kämpfe Han-ChinesInnen waren, die von einem randalierenden tibetischen Mob gelyncht wurden. In ihren deutschen, d.h. antikommunistischen Ressentiments sind sich viele BerichterstatterInnen nur darin einig, dass China die legitimen Proteste einer angeblich friedensbewegten tibetischen Bevölkerung niederknüppeln würde, völlig gleichgültig gegenüber der blutigen Geschichte des Lamaismus und den offensichtlich ethnischen Ursachen dieser Proteste, die sich vor allem gegen chinesische HändlerInnen und Wanderarbeiterinnen richteten und nicht etwa gegen den chinesischen Staat. Auch völlig umgeschrieben wird die Rolle, die der Dalai Lama zu beginn der Proteste spielte: betont wird zumeist das Bekenntnis des Dalai Lama zu friedlichen Protestformen. Dass die gewalttätigen Proteste ausbrachen, nachdem der Dalai Lama eine Rede zum tibetischen Aufstand von 1959 hielt und damit die Eruption der Gewalt beförderte, wird hingegen verschwiegen.

Zweifellos ist ein Großteil der tibetischen Bevölkerung auch im innerchinesischen Vergleich ausgesprochen arm, wie sie auch erschwerten Zugang zu Bildungseinrichtungen hat. Dies wiederum entspricht aber der generellen Rückständigkeit des Gebietes an der chinesischen Peripherie, eine Rückständigkeit, die sich im „alten“, also lamaistischen Tibet, noch mit weitaus größerer Härte äußerte. Das Gerede von einem „demographischen Genozid“ (damit meint der Dalai Lama in fürchterlichst völkischer Manier nichts weniger als die „Überfremdung“ Tibets durch zugezogene Han-ChinesInnen) und dem Verlust der tibetischen Kultur dagegen ist schlichtweg Humbug. Abzüglich der WanderarbeiterInnen und der Staatsbediensteten stellen die Han-Chinesinnen nur einen Bevölkerungsanteil von sechs Prozent, während sich die Zahl der TibeterInnen in den vergangenen 50 Jahren verdoppelt hat. Ebenso existieren weiterhin über 1000 Klöster, die ungebrochen einen Hort für die angeblich so gefährdete regressive lamaistische Kultur, die von hiesigen TibetfreundInnen als die eine tibetische Kultur verkauft, darstellen. Die Repression, die die TibeterInnen gegenwärtig erfahren, ist dieselbe, mit der die chinesische Regierung im restlichen Land ebenfalls herrscht, inklusive aller kritikwürdigen Formen der Zensur und der notfalls auch gewalttätigen Unterbindung der Meinungsfreiheit. Nur darf es nicht gelten, völlig unreflektiert „Free Tibet!“ krakeelend die eine Form der Unterdrückung durch eine noch archaischere und inhumanere, die des Lamaismus, eintauschen zu wollen und sich damit zum Handlanger einer antiaufklärerischen und selbstherrlichen religiösen Elite zu machen.

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