2012-06-27

Der Dalai Lama und die CIA von Trimondis



Der Dalai Lama und die CIA

Der Dalai Lama und seine Beziehung zur CIA, das ist ein längst bekanntes Thema. Es ist seit Jahren präsent im Internet, mehrere Videos und eine ganze Anzahl von Büchern wurden hierzu veröffentlicht. (1) Deswegen war es schon erstaunlich, als im Juni 2012 die großen Medien Deutschlands darüber berichteten und das Ganze als Sensation präsentierten. Zudem geschah das mit einer Ungeschminktheit, welche die westliche Öffentlichkeit im Fall des Dalai Lama überhaupt nicht gewohnt ist. Allein die Artikelüberschriften mussten bei einem Publikum Erstaunen auslösen, dem bisher der Religionsführer aus Tibet, (um nur einige Preisungen aus dem „kritischen“ Magazin Der Spiegel zu zitieren), als „Gott zum Anfassen“, als „spiritueller Tröster“, als „Buddha unserer Zeit“, als „Menschenfischer“, als „Jesus der Neuzeit“, als „ein spiritueller Sechser im Lotto“ vorgestellt wurde: „Flecken auf dem Lebenslauf –  Der Dalai Lama und die Nähe zur CIA“ – hieß es in der Financial Times. „Dalai Lama auf CIA-Gehaltsliste“ (Standard). Sogar Der Spiegel sah die ganze Angelegenheit als ein Dilemma: „CIA-Ausbilder in Tibet - Dilemma auf dem Dach der Welt“ (Spiegel – Online).


Auslöser der kritischen Berichterstattung waren ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung und eine Sendung von Panorama (ARD-TV). Beide brachten die Information mit gepfefferten Kommentaren: „Heiliger Schein - Der Dalai Lama, höchster Repräsentant des reinen Pazifismus, wusste wohl doch mehr vom Treiben der CIA in Tibet, als er bisher zugegeben hat. Nun fallen gewaltige Schatten auf den Gottkönig.“ – schrieb Deutschlands größte Tageszeitung (Süddeutsche) und Panorama verwies im Internet mit folgenden Worten auf seine Sendung: „Der Dalai Lama und die CIA - Pazifist mit Schattenseiten: Panorama wirft einen Blick auf einen wenig geliebten Teil der tibetischen Geschichte und fragt: Was ist wirklich dran am Image des Friedensnobelpreisträgers Dalai Lama?“

Auch nach Italien ist die Kritikwelle übergeschwappt. La Republica, il Messagiore und andere große Zeitungen haben über die CIA-Connection berichtet. In Holland titelte ein Boulevard-Blatt: „Dalai Lama scheinheilig – Nobelpreisträger war CIA-Agent und Guerilla-Führer“(Telegraaf)

Man mag viele Gründe anführen, weshalb eine Kooperation des tibetischen Religionsführers mit der CIA gegen die chinesischen Kommunisten politisch sinnvoll war. Aber das Problem in diesem Fall liegt darin, dass der Dalai Lama der Dalai Lama ist, das heißt eine weltweit anerkannte Ikone, die symbolisch für absoluten Frieden und Gewaltlosigkeit steht. Dieses Bild wird durch die Beziehung zum amerikanischen Geheimdienst und zur tibetischen Guerilla erheblich verunstaltet und die enttäuschten Reaktionen sind nicht nur in der Presse, sondern auch in buddhistischen Diskussionsgruppen spürbar. Es sieht so aus, dass die peinlichen Apotheosen des „Gottkönigs“, die seit Jahren die westliche Medienlandschaft prägten, in ihr Gegenteil umschlagen könnten. Mit „Dalai Rambo“ betitelte keine Regenbogen-Presse sondern die Frankfurter Allgemeine Zeitung die C.I.A. – Story.

Die österreichischen Medien, die noch im Mai den Dalai Lama bei seinem 10tägigen Besuch in den „Himmel gehoben“ hatten, versuchten jetzt zu beschwichtigen. „Der Dalai-Lama ist weder Rambo noch Jesus, und auch kein Betrüger“ versichert die Tageszeitung Die Presse ihre Leser und Leserinnen. Der deutsche Spiegel, der schon seit 10 Jahren eine Art Hofberichterstattung für den Dalai Lama betreibt, war verwirrt endet aber – in einem Akt von Selbstsuggestion – seinen halbherzig kritischen Artikel mit dem Satz: Die Fakten „widerlegen nicht die Tatsache, dass der Dalai Lama seit Jahrzehnten einen pazifistischen Weg eingeschlagen hat.“

Dieser Satz wäre nur richtig, wenn er lautete, dass der Dalai Lama seit Jahrzehnten einen pazifistischen Weg „gepredigt“ hat. Zwischen „Predigen“ und „Einschlagen“ ist jedoch ein großer Unterschied. Jeder der die Materie kennt, weiß, dass der tibetische Buddhismus nicht friedlich ist, dass die tibetische Geschichte und Gesellschaft nicht friedlich waren, dass die Beziehungen der Exil-Tibeter untereinander nicht friedlich sind, dass die Zukunftsvision des tibetischen Buddhismus in einem apokalyptischen Endzeitkrieg endet. Als Mahatma Gandhi dem XIII. Dalai Lama in einem Brief erklärte, er freue sich, dass das tibetische Volk sich am edlen Konzept der „Nicht-Gewalt“ (Ahimsa) orientiere, wusste dieser nicht, worüber Gandhi überhaupt sprach.

Es ist nachweislich falsch, und Deutschlands Vorzeigemagazin Der Spiegel weiß das genau, dass der Religionsführer als politisches Oberhaupt der Exiltibeter die CIA Aktivitäten nicht abgesegnet haben soll. Der japanische freie Journalist und ehemalige Herausgeber des „Japan Times Weekly“ Yoichi Shimatsu hierzu: „Die Guerilla Aktivitäten wurden durch die Exilregierung in Dharamsala gebilligt, deswegen wurden sie auch später in die indische Armee als ‚Special Frontier Forces’ integriert, die auch als ‚Tibetische Armee’ bekannt war. Während die Agency die Guerilla Operationen plante, unterstützte und durchführte, legten die höher gestellten amerikanischen Beamten jede wichtigere Entscheidung der Regierung in Dharamsala zur Genehmigung vor. In meinem Karmapa-Video, habe ich eine Aufnahme von der Front der Pokhara Hotels gemacht, wo die CIA und die tibetische Exilregierung ihre Meetings abhielten, um ihre Pläne für den Guerilla Krieg zu diskutieren. Als Oberhaupt der Exilregierung trug der Dalai Lama die direkte Verantwortung für all diese Entscheidungen.“ (2)

Der Dalai Lama und Maj. Gen. Uban inspizieren die Special Frontier Force (SFF),
die aus den ehemaligen von CIA ausgebildeten Guerilleros  besteht (Chakrata - June 1972)

Erst als die CIA-Aktivitäten 1974 endgültig eingestellt wurden, ging der Dalai Lama zu seinen Guerillas in Distanz. Die Widerstandsarmee unter Colonel Wangdu wurde nicht nur aufgelöst, sondern Wangdu selber, der Held der tibetischen Guerilla, wurde ermordet und das, wie einige seiner Mitstreiter heute behaupten durch einen „Tibetan Sniper“, einen tibetischen Heckenschützen.

Gewalt und Lösung von Konflikten durch Krieg sind dem tibetischen Buddhismus inhärent. Nicht nur in der Geschichte, sondern im religiösen Kern (3), insbesondere auch im so genannten Kalachakra Tantra (Die Apokalypse des Dalai Lama) einem Geheimritual, das vom Dalai Lama zwar öffentlich als Friedensinitiation präsentiert wird, das aber voll ist mit Kriegs-Visionen und misogynen Inhalten. Schlimmer noch, es wurde von Nazis, Faschisten, Bolschewisten (Rotes_Shambhala), Neo-Faschisten, Neo-Nazis und buddhistischen Terroristen wie den japanischen Sektenführer Shoko Asahara dazu benutzt, um ihrer aggressiven Politik eine metaphysische Dimension und Weihe zu verleihen. 


„1957 versammelten sich viele Befreiungskämpfer aus den östlichen Teilen unseres Landes  um Lhasa, der Hauptstadt Tibets. Die Khampas [tibetischer Nomadenstamm aus dem die meisten Guerilla-Kämpfer stammten] erkannten die Notwendigkeit, ihre Kräfte  gemeinsam zu sammeln, um gegen die kommunistische chinesische Aggression antreten zu können.

Nun galt es ja nicht die Aufmerksamkeit der Chinesen auf sich zu lenken, sondern eine Überwachung unserer Aktivitäten zu vermeiden und auch die verschiedenen Gruppierungen von Befreiungskämpfern von Angesicht zu Angesicht treffen können. Andruk Gonpo Tashi aus Lithang und andere Führer taten dies unter dem Schleier der Erbringung von religiösen Gaben nach Lhasa. Es fanden dank der Einwilligung der Tibetischen Regierung die Vorbereitungen zur, heute berühmten, Feier des Goldenen Throns der Chushi Gangdrug für seine Heiligkeit, den 14. Dalai Lama, statt. Die Führer baten seine Heiligkeit, bei der Kalachakra- Einweihung den Segen zu erteilen und seine Heiligkeit nahm freundlichst an. Amdo Jimpa Gyatso hatte eine ähnliche Anfrage in der Vergangenheit auch bereits gemacht. So kam es bei der zweiten Kalachakra-Segnung 1957 zu einer Zusammenarbeit der beiden Gruppen. Die Khampas führten ein großes Tenshuk durch, um die Langlebigkeit seiner Heiligkeit zu feiern. Die Tenshuk-Gabe auf dem neuen goldenen Thron symbolisierte die Ernennung seiner Heiligkeit zum Führer über ganz Tibet und sein Dasein als Heiligkeit.“ (4)

Tibetische Guerilla, die den Dalai Lama auf seiner Flucht begleiteten. Darunter zwei vom CIA
ausgebildete Kämpfer. Die sitzende zentrale Figur im dunklen Umhang ist der XIV. Dalai Lama

Die Kritik-Welle zum Thema „Dalai Lama und CIA“ ist nicht zu Ende. Es wird noch einige Monate dauern, bis der großspurig angekündigte Dokumentar-Film hierzu von Lisa Cathey erscheint. (www.ciaintibet.com)  Bis dahin wird weiter recherchiert und berichtet werden. Etwa über den ehemaligen SS’ler Heinrich Harrer, der als Emissär des Dalai Lama den Kontakt zur CIA hergestellt haben soll. (Trübes im Ozean des Wissens) Harrer hat in diesem Jahr (post mortem) seinen 100. Geburtstag.

Aber man sollte vorsichtig sein! Das jetzt vorgelegte Material und die Interviews von alten CIA-Kämpfern müssen nicht per se der Aufklärung dienen: Lisa Cathy, professionelle Dokumentarfilmerin, ist die Tochter des CIA-Geheimoffiziers Clay Cathey, einer der Verantwortlichen der Geheimoperationen in Tibet. Es kann durchaus sein, dass sich Kreise aus der Agency erneut auf militante Aktionen in Tibet vorbereiten, wobei ihr das weltweite Image vom tibetischen Buddhismus als einer absolut friedlichen Religion im Wege steht. Deswegen ist ihnen wohlmöglich eine Doppelstrategie eingefallen. Einerseits wird gezeigt, dass es auch einen militanten und aggressiven Buddhismus gibt, der zwischen Freund und Feind klar unterscheidet und der sich gegen die chinesische Unterdrückung zur Wehr setzt. In der Panorama Sendung kommt beispielsweise ein tibetischer Guerilla-Führer mit dem folgendem Satz zu Wort: „Da die Chinesen Feinde des Buddhismus waren, hatten wir nie das Gefühl, dass es eine Sünde ist, sie zu töten. Tatsächlich waren wir froh, so viele wie möglich zu töten. Wenn wir Tiere töten, sprechen wir ein Gebet, aber wenn wir die Chinesen töteten, kam uns kein Gebet über die Lippen.“ Westliche Buddhisten zeigen sich angesichts solcher Aussagen schockiert, doch die Militarisierung des tibetischen Buddhismus war historisch gesehen keineswegs eine Randerscheinung, sondern eher die Regel, nur dass sie sich meist in Kleinkriegen zwischen den verschiedenen lamaistischen Gruppen austobte. Auch mit den aktuellen Selbstmordritualen, die das Martyrium als heilige Handlung preisen, könnte ein solcher Schritt in Richtung Militanz intendiert sein. Selbstmorde und Märtyreraktionen sind dem Buddhismus ursprünglich ebenso fremd wie Gewalt gegen andere, zählen aber zur Grundausstattung eines „Heiligen Kriegers“ in allen Religionen. Im „Shambhala-Warrior“ des oben erwähnten Kalachakra-Tantra ist diese Typologie vorgeprägt.  

Anderseits darf der Dalai Lama, die mächtige Ikone des Friedens, von einem solchen militanten Buddhismus nicht befleckt werden. Es muss also ein Gegensatz zwischen ihm und einer (vom CIA unterstützen) tibetischen Guerilla suggeriert werden. Das ist auch die Intention der Lisa Cathy, die auf ihrem Blog (kefiblog.com) die deutsche Berichterstattung über die CIA-Kontakte des Dalai Lama, insbesondere die Sendung Panorama als „Tabloid Trash“ heruntermacht und sehr „fury“ war. „Es wurde berichtet,“ – so die Dokumentarfilmerin – „dass  [mein Project] CIA in Tibet eine neue Dokumentation ist, die eine Art Befleckung des Dalai Lama aufdecken will. Nichts kann weiter von der Wahrheit entfernt sein  Sie scheinen die Tatsache zu verdrehen: Weil der Dalai Lama von der CIA finanzielle Mittel erhielt, die Teil ihres allgemeinen Unterstützungsfonds in den frühen 70er waren, sei er direkt in ‚Verbrechen’ involviert.“ (5)

Aber die Berichterstattung der Süddeutschen und von Panorama hat Recht. Zahlreiche Zeugnisse, und selbst diejenigen, die Lisa Cathey vorlegt, beweisen, dass der XIV. Dalai Lama zuerst fest hinter seiner Guerilla stand, bis dann Nixon nach einem Treffen mit Mao Tse Tung alle Feindseligkeiten mit China einstellte und die CIA-Operationen zurückrief. (1974).     

Fussnoten:

(1) Folgende Bücher wurden schon zum Thema “Dalai Lama und die CIA” veröffentlicht: Into Tibet: The CIA’s First Atomic Spy and His Secret Expedition to Lhasa (2003), Buddha’s Warriors: The Story of the CIA-Backed Tibetan Freedom Fighters, the Chinese Communist Invasion, and the Ultimate Fall of Tibet (2004), Arrested Histories: Tibet, the CIA, and Memories of a Forgotten War (2010), The CIA’s Secret War in Tibet (2011).

(2) Zahlreiche Originaldokumente findet man auf: http://www.westernshugdensociety.org/ Dort in die Suchmaske Dalai Lama and CIA eingeben

(3) Siehe hierzu: David A. Gray, "Compassionate Violence? On the Ethical Implications of Tantric Buddhist Ritual,” Journal of Buddhist Ethics 14 (2007): 240-271


(5) Engl. Original: “It was reported that CIA in Tibet is a new documentary that will reveal some sort of stain on the Dalai Lama. Nothing could be further from the truth. They seem to twist the fact that since the CIA gave funds to the Dalai Lama, which was part of their overall support until the early 70s, that it implies the Dalai Lama was directly involved in ‘wrongdoing’.”(http://kefiblog.com/2012/06/11/regarding-irresponsible-reporting/#more-1321)

© Victor und Victoria Trimondi



Presseüberblick zu „Der Dalai Lama und die CIA“


Das Erste – Panorama – Sendung vom 07. Juni 2012 –

Der Dalai Lama und die CIA

Von Hanno Burmester, John Goetz, Jasmin Klofta, Anne Ruprecht
Stets friedliebend und gewaltfrei - mit diesem Tibet-Image beeindruckt der Dalai Lama die Welt. Doch es ist ein geschöntes Bild: Über 20 Jahre lang kämpften die Tibeter auch mit Waffengewalt für ihre Unabhängigkeit. Der heimliche Unterstützer der tibetischen Guerilla: die CIA. Auch der Dalai Lama erhielt Geld aus der Schatulle des amerikanischen Geheimdienstes. Pazifist mit Schattenseiten: Panorama wirft einen Blick auf einen wenig geliebten Teil der tibetischen Geschichte und fragt: Was ist wirklich dran am Image des Friedensnobelpreisträgers Dalai Lama?


Kommentar:
Das in Panorama verwendete Material findet sich schon seit längerer Zeit im Netz. Die Sendung macht klar, dass der Dalai Lama über die Aktivitäten der CIA informiert war. Es wird aber auch die Aussage des CIA Agenten John Kenneth Knaus zitiert, der junge Religionsführer habe sich ihm gegenüber bei seiner ersten Begegnung sehr abweisend gezeigt, da der Buddhismus gewaltsame Aktionen nicht zulasse. „Ich trat also unterwürfig auf ihn zu“, so Knaus. Es sei einer „der kühlsten Empfänge, die ich jemals erlebt habe.“

Von einer pazifistischen Grundhaltung ist jedoch in einem detaillierten Bericht, den Knaus über die Ereignisse gemacht hat und der im Journal of Cold War Studies veröffentlicht wurde, überhaupt nicht die Rede. (1) Auch zahlreiche andere Dokumente beweisen, dass der Dalai Lama die militärischen CIA-Operationen und die tibetische Guerilla voll billigte. Er hatte unter anderem das ehemalige SS-Mitglied Heinrich Harrer als Unterhändler zu den Amerikanern nach Indien geschickt. „Sie alle waren bald mit dem State Department und CIA-Offizieren in Kontakt.“ – schreibt Knaus. Der CIA-Agent besuchte 1995 zusammen mit seiner Frau den Dalai Lama in Dharamsala. Das offizielle Photo zeigt diesen wie immer lächelnd und keineswegs kritisch und abweisend gegenüber dem Kriegsveteranen Knaus.



Fussnoten:

(1) John Kenneth Knaus – „Official Policies and Covert Programs: The U.S. States Department, the CIA, and the Tibetan Resistance” – in: Journal of Cold War Studies, Volume 5, Number 3, 2003: 54-79.


Financial Times Deutschland – Net-Ausgabe –  08.06.2012

Flecken auf den Lebenslauf –  Der Dalai Lama und die Nähe zur CIA

Von Friederike Böge

Er gilt als Inbegriff von Weisheit und Sanftmut. Aber offenbar wusste der Dalai Lama mehr über die Unterstützung des gewaltsamen Widerstands in Tibet durch den US-Geheimdienst, als er bislang zugegeben hat. Sogar an ihn persönlich soll Geld geflossen sein.

Der Dalai Lama, das geistige Oberhaupt der Tibeter, pflegt seit Jahrzehnten das Image einer moralischen Instanz in der Welt. Doch das Bild des Pazifisten droht nun einzustürzen. Denn ein neuer amerikanischer Dokumentarfilm über die CIA in Tibet zeigt, dass der oberste Tibeter offenbar mehr über die Unterstützung des amerikanischen Geheimdienstes für den gewaltsamen Widerstandskampf der Tibeter in China wusste, als er bislang zugegeben hat.

So hat die Filmemacherin Lisa Cathey einen CIA-Veteranen interviewt, der über ein Treffen mit dem Dalai Lama im Jahr 1964 berichtet. Der Film, der sich insgesamt auf Gespräche mit 30 Ex-Geheimdienstlern stützt, soll erst in einigen Monaten erscheinen. Teile daraus sind jedoch bereits auf der Internetseite Kefiblog.com veröffentlicht. Nach Berichten der "Süddeutschen Zeitung" und des TV-Magazin "Panorama" belegen zudem Dokumente der amerikanischen Regierung, dass der Friedensnobelpreisträger der CIA deutlich näher stand als bislang bekannt.

Der chinesischen Regierung dürfte der Wirbel um die CIA-Verbindungen des Dalai Lama mehr als recht sein. Peking ist die Faszination, die weltweit von dem obersten Tibeter ausgeht, schon lange ein Dorn im Auge.

Die Journalisten stützen sich auf Dokumente der amerikanischen Regierung, die vor einigen Jahren freigegeben wurden, aber bislang nicht medial ausgewertet wurden. Demnach basiert das Tibet-Programm der CIA auf Vereinbarungen der US-Regierung mit dem Dalai Lama aus den Jahren 1951 und 1965. Der erste Kontakt sei von Vertretern des Dalai Lama über die US-Botschaft in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi und das US-Konsulat in Kalkutta eingeleitet worden.

Auch ein Bruder des Dalai Lama habe damals bei der US-Regierung vorgesprochen. Bei den Kontakten sei es explizit auch um militärische Hilfe gegangen. Laut "Süddeutscher Zeitung" war der Dalai Lama spätestens 1958 über die paramilitärische Ausbildung tibetischer Kämpfer durch die CIA informiert. Dies gehe aus einem Interview hervor, dass der Religionsführer einer Reporterin vor gut einem Jahrzehnt gegeben habe.

Ganz neu sind die Vorwürfe nicht. Bereits bekannt ist auch, dass die Unterstützung der CIA für die militanten Tibeter bereits Anfang der 70er-Jahre beendet wurde, nachdem die Regierung Nixon diplomatische Beziehungen zu China aufgenommen hatte. Bereits Ende der 90er-Jahre hatten einige Bücher und Filme die Verbindungen zwischen der CIA und dem Dalai Lama durchleuchtet. In seiner Autobiografie von 1991 hatte er über die Kontakte seiner Brüder zur CIA geschrieben: "Meine Brüder hielten es für weise, diese Informationen von mir fernzuhalten."

1998 hatte ein Sprecher der tibetischen Exilregierung gegenüber der Zeitung "New York Times" zugegeben, dass sie in den 60er-Jahren jährlich 1,7 Mio. Dollar von der CIA erhalten habe. Mit dem Geld sei die Ausbildung von Guerillakämpfern und die Durchführung militärischer Operationen finanziert worden. Berichte, der Dalai Lama persönlich habe 180.000 Dollar jährlich bekommen, wies der Sprecher damals aber zurück. Die "Süddeutsche Zeitung" stieß bei ihren Recherchen aber auf CIA-Unterlagen, die Transfers über diese Summe als "Geldhilfe für den Dalai Lama" deklarieren.


Kommentar:
Die Hochfinanz dürfte kein Interesse an einer kriegerischen Auseinandersetzung zwischen der VR China und den USA haben, denn der globale Kapitalismus hat alles miteinander so verflochten, dass es für ihn keine Nationalstaaten mehr gibt. Deswegen hat die Rolle des Dalai Lama als moralische Powerkarte gegen Beijing in der Finanzwelt keinen allzu großen Wert. Zurzeit erweist sich die Tibetfrage sogar als hinderlich, da die westliche Wirtschaft auf die Kooperation der Chinesen angewiesen ist - und  umgekehrt. Es besteht also durchaus ein Interesse der Finanzwelt daran, den Dalai Lama fallen zu lassen und dieser scheint das zu wissen, da er in der letzten Zeit das kapitalistische System und seine Manager mehrfach öffentlich kritisiert und so mit dem Applaus der Massen rechnen kann.


Frankfurter Allgemeine Zeitung – Net-Ausgabe 10.06.2012

Dalai-Rambo

Der Dalai Lama, Ikone des Pazifismus, habe durchaus, so plaudern pensionierte CIA-Leute in einem Dokumentarfilm, auf bewaffneten Widerstand gegen Chinesen gesetzt.

Von Christian Geyer
Die Zwei-Schwerter-Lehre hat nicht nur im Christentum, sondern auch im Buddhismus Tradition. Geistliches und weltliches Schwert sollen zusammenwirken, um die Welt in Ordnung zu bringen, sprich: vom Kommunismus zu befreien. Papst Johannes Paul II. pflegteconnections zur CIA, ohne die der Ostblock nicht so sang- und klanglos zerfallen wäre. Die geheimdienstliche Unterstützung für die polnische Gewerkschaft Solidarnosc ist ein offenes Geheimnis und wurde zuletzt in Karl Bernsteins Buch „Seine Heiligkeit“ beschrieben.
Die andere Heiligkeit, der Dalai Lama, nahm in seiner Frühzeit ebenfalls die Hilfe der CIA in Anspruch, wie die Dokumentarfilmerin Lisa Cathey in Erinnerung ruft; Ausschnitte ihres demnächst anlaufenden Dokumentarfilms „CIA in Tibet“ sind jetzt unter kefiblog.com zu sehen. In dem Film plaudern pensionierte CIA-Beamte auf Golfplätzen und in Lehnsesseln über die alten Zeiten: Wie es war, damals, in den Fünfzigern und Sechzigern, als in Lagern in Colorado tibetische Widerstandskämpfer in Waffenkunde, Funktechnik und Guerilla-Strategie ausbildet wurden, um hernach im chinesisch besetzten Tibet Chinesen zu töten. Beim Töten von Tieren habe man gebetet, nicht aber beim Töten von Chinesen, erklärt im Film ein früherer Widerstandskämpfer.
Heute steht fest: Der Dalai Lama, Ikone des Pazifismus, setzte - gewiss widerstrebend - auf den bewaffneten Widerstand, solange dieser von den Amerikanern gesponsert wurde. Mit Billigung des religiösen Oberhauptes kämpfte eine tibetische Spezialeinheit der indischen Armee 1971 gegen das heutige Bangladesch. Ein Jahr später nahm der Dalai Lama als Ehrengast einer militärischen Zeremonie in Indien teil, wo den kämpfenden Tibetern Tapferkeitsmedaillen verliehen wurden. Die waffenstarrenden Fotos, die bei diesem Anlass vom Dalai Lama gemacht wurden, könnte man heute für Titelblätter der „Titanic“ halten. Zwei seiner Brüder waren die Kontaktleute zum CIA und wussten um die Einzelheiten des tibetischen Guerillakampfes. „Meine Brüder hielten es für weise, diese Informationen von mir fernzuhalten“, heißt es in der Autobiographie des Dalai Lama, was wiederum als weise Selbstauskunft eines Friedfertigen gelten kann, der nach Gewaltspuren in zweischneidiger Frühzeit gefragt wird.

Quelle: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/tibet-dalai-rambo-11780210.html


Kommentar:
Die FAZ geht scharf ins Gericht und das mit Recht. Es mag vielleicht etwas brachial klingen, den Dalai Lama als „Rambo“ zu bezeichnen. Aber der Religionsführer hat Jahrzehnte lang das Privileg gehabt, mit Titeln größter Heiligkeit gepriesen zu werden. Der Umschlag ins Gegenteil ist in solchen Fällen vorgegeben.  



Süddeutsche Zeitung – Print-Ausgabe – 08.06.2012  

Heiliger Schein

Von John Goetz, Hans Leyendecker und Bastian Obermayer

Der Dalai Lama, höchster Repräsentant des reinen Pazifismus, wusste wohl doch mehr vom Treiben der CIA in Tibet, als er bisher zugegeben hat. Nun fallen gewaltige Schatten auf den Gottkönig.

Auszüge:
„Eine unantastbare höchste moralische Instanz wie der Dalai Lama könnte solche Verbindungen [zu CIA] nur schwer erklären. So einer lebt doch, was er lehrt. Zu groß war und ist der Widerspruch zwischen einem von der dreckigen CIA finanzierten und organisierten Guerillakrieg und der sanften Botschaft des Dalai Lama vom gewaltlosen Widerstand. Der Friedensnobelpreisträger, tibetische Guerillakämpfer und die CIA – das klingt fast so seltsam wie: der Papst, seine Frau und sein Porsche. Aber manchmal ist die Welt eben seltsam.“

„Recherchen der Süddeutschen Zeitung und des TV-Magazins „Panorama“ lassen nun den Schluss zu, dass er der CIA deutlich nähergestanden und erheblich mehr gewusst haben muss, als er zugeben mag. Darauf deuten nicht nur die zum Teil sehr freimütigen Bekenntnisse der Veteranen hin, sondern auch ehemals streng vertrauliche Dokumente der amerikanischen Regierung, die vor einigen Jahren freigegeben wurden – ohne bislang große Beachtung gefunden zu haben. Der Dalai Lama hat zwar nicht nachweisbar gelogen, aber auch nie die ganze Wahrheit gesagt. Seine Rolle ist undurchsichtig, sein Umgang mit dem Thema scheint nicht aufrichtig. Und bei einem Erleuchteten sollte die Wahrheit nicht im Plural vorkommen.“

„Der 14. Dalai Lama, der nach dem Glauben vieler Buddhisten erstmals 1391 auf die Welt gekommen ist und im Kreislauf der Wiedergeburten im Juli 1935 als Bauernsohn wiederkehrte, er wird von seinen Anhängern als „Gottkönig“, „Buddha des Mitgefühls“, „Ozean der Weisheit“, „Herr des Weißen Lotus“, „Unvergleichlicher Meister“, „Das wunscherfüllende Juwel“ verehrt. Der Träger von etwa 95 hohen und allerhöchsten Auszeichnungen, der zigfache Dr. h.c., dessen offizielle Anrede – wie sonst nur noch beim Papst – Seine Heiligkeit ist, sagte zwar einmal, er versuche, „für jeden das zu sein, was der andere will“, aber als Schachfigur der CIA im Kalten Krieg will ihn die Welt, Peking einmal ausgenommen, wohl nicht sehen. Eine direkte CIA-Connection würde nicht zu seiner hohen moralischen Autorität passen.“

Kommentar:
Der Artikel in der Süddeutschen ist der ausführlichste. Er wurde groß auf der Eingangseite angekündigt und auf Seite 3 gebracht. Der Spiegel wirft dem Autor vor, dass er schon längst bekanntes Material präsentiere. Das ist richtig, aber bisher hat keines der großen Medien, insbesondere nicht der Spiegel darüber berichtet. Es ist also das Verdienst der Süddeutschen und von Panorama, das Thema einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu haben. Das zweite Verdienst ist, dass die Verantwortung des Dalai Lama für die Guerilla- und CIA-Aktivitäten in Tibet in dem Artikel klar herausgestellt wird. Das musste natürlich zu heftigen Gegenreaktionen führen. So in einem abgedruckten Leserkommentar vom 19. 06. 2012: „Unverhohlene Häme –  Der Dalai Lama und der Kampf der Tibeter gegen China im Kalten Krieg - gar nicht scheinheilig. Der Titel des Artikels ‚Heiliger Schein’ (8. Juni) suggeriert, hier würden Fakten präsentiert, die den Dalai Lama als scheinheilig entlarven. Tatsächlich erweist sich der Artikel als Mogelpackung mit sehr wenig Dalai Lama darin. Im Heldenkostüm des kritischen Journalismus wurde ein Artikel zusammengenagelt, dessen Mängel hinsichtlich Genauigkeit - wozu sich die Namen der Brüder des Dalai Lama merken, es sind ja so viele - und Präsentation verblüffen.“ – so der Kritiker.

Der Philosoph und Kulturkritiker Slavoj Žižek hat in einem scharfsinnigen Essay darauf aufmerksam gemacht, dass es für den Lamaismus typisch ist, zwischen mehreren Ebenen zu oszillieren. So kann der Dalai Lama blitzschnell die Rollen wechseln vom „Gottkönig“ zum „einfachen Mönch“, vom Politiker zum Meditationsyogi, vom Linksliberalen zum Erzkonservativen mit NS-Freunden. Dieselbe Kunst findet sich auch bei seinen Apologeten. Natürlich kann man für die Zeit des Kalten Krieges Argumente anführen, weshalb es politisch opportun gewesen sei, eine Guerilla-Resistance in Tibet aufzubauen. Aber man kann dann nicht mehr einer Person, die so handelt, die Aura des „größten Friedensfürsten unserer Zeit“, der absoluten Gewaltlosigkeit, der Ahimsa-Politik, des buddhistische Tötungsverbot zugestehen. Das aber sind die Ideen, die den Dalai Lama im Westen groß gemacht haben.  „Eine direkte CIA-Connection würde nicht zu seiner hohen moralischen Autorität passen.“ – meint die Süddeutsche.

Der Artikel ist aus dem Archiv der Süddeutschen abrufbar: http://www.sueddeutsche.de/ 


Spiegel Online – 09. Juni 2012 - Auszüge

CIA-Ausbilder in Tibet - Dilemma auf dem Dach der Welt

Von Andreas Lorenz, Peking

Es ist ein fast vergessenes Kapitel tibetischer Geschichte: In den fünfziger und sechziger Jahren bildete der US-Geheimdienst CIA Bauern, Mönche und Nomaden zu Widerstandskämpfern aus. Ein Dokumentarfilm erinnert nun an die Gebirgs-Guerilla - und an das Dilemma des Dalai Lama.

[…]

Die "Süddeutsche Zeitung" und das ARD-Magazin "Panorama" haben jetzt darüber berichtet. Es falle ein "gewaltiger Schatten auf den Gottkönig", der als "höchster Repräsentant des reinen Pazifismus" stets Gewaltlosigkeit predige, befand die "SZ". Und das TV-Magazin "Panorama" fragte: "Was ist wirklich dran am Image des Friedensnobelpreisträgers Dalai Lama?"

CIA-Aktivitäten auf dem Dach der Welt
Tatsächlich scheint die Verbindung des friedliebenden Dalai Lama mit den Berufskillern der CIA nicht zusammenzupassen. Neu allerdings ist diese Allianz nicht. Die CIA-Aktivitäten auf dem Dach der Welt sind eine lange bekannte Tatsache, die in vielen Geschichtsbüchern dokumentiert wird.

Selbst die Interviews mit den Veteranen sind so exklusiv nicht: Sie wurden schon Anfang des vorigen Jahres teilweise in der Hongkonger "South China Morning Post" veröffentlicht. Die belgische Autorin Birgit van Wijer hat bereits 2007 die Erinnerungen von 48 ehemaligen Kämpfern festgehalten. Der Dalai Lama hat aus diesem schwierigen Abschnitt seines Landes und seinen Kontakten zur CIA keinen Hehl gemacht.

Widerlegt die Geschichte das seit den siebziger Jahren vom Dalai Lama immer wieder verkündete Bekenntnis zur Gewaltlosigkeit auf dem Weg zu einem freien Tibet? Ist der Buddhist gar ein Heuchler, wie "SZ" und "Panorama" insinuieren, eine "Schachfigur der CIA"?

Keineswegs. Die Dokumentation lässt den damaligen Chef der CIA-Operation John Kenneth Knaus zu Wort kommen, der von einer Begegnung mit dem Dalai Lama berichtet. Es war, erinnert er sich, "einer der kühlsten Empfänge, die ich jemals erlebt habe. Sehr formell, sehr korrekt." Tatsache ist auch, dass die CIA in den fünfziger Jahren lange Zeit vergeblich versucht hatte, zum Dalai Lama vorzudringen, um grünes Licht für den bewaffneten Widerstand zu erhalten - vergeblich.

Kriegerische Zeiten in Tibet

[…]

Obwohl die Khampas auf ein Wort der Unterstützung des damals jungen und unerfahrenen Dalai Lama warteten - es kam nie, berichtet der tibetische Historiker Tsering Shakya. Er hielt den Aufstand angesichts der Überlegenheit der chinesischen Armee für selbstmörderisch und nicht vereinbar mit seiner Religion.

[…]

Kein klares Wort des Dalai Lama gegen den CIA-Einsatz
Tausende von tibetischen CIA-Guerilleros starteten später vom halb-autonomen Himalaja-Reich Mustang ihre Einsätze. Unklar ist bis heute, wie viele von ihnen in Tibet ihr Leben ließen und wie viele chinesische Soldaten starben. Fest steht: Ein klares Wort gegen den Einsatz äußerte der Dalai Lama öffentlich nie, aber auch nie dafür. 1967 begann die CIA, die Operation zurückzuschrauben, 1974 appellierte der Dalai Lama an die letzten Kämpfer, die Waffen niederzulegen.

Seither plädiert er für den so genannten "Mittelweg": Keine Gewalt und keine Unabhängigkeit Tibets will er, dafür mehr religiöse und kulturelle Autonomie auch außerhalb der Grenzen der Autonomen Region Tibet. Unter jungen Exil-Tibetern ist dies umstritten. Viele sind bereit, wie ihre Väter und Großväter zu den Waffen zu greifen.

"Schatten auf dem Gottkönig"? Wohl kaum. Der Dalai Lama hat die CIA-Aktion 1993 in einem Interview mit der "New York Times" als "nicht sehr gesund" kritisiert, weil sie nur politisch motiviert gewesen und nicht aus "genuiner Sympathie" für das tibetische Volk geboren worden sei.

Die Aussagen der Tibeter und der Amerikaner helfen, den Konflikt zwischen Tibetern und der Pekinger Regierung besser zu verstehen. Sie widerlegen nicht die Tatsache, dass der Dalai Lama seit Jahrzehnten einen pazifistischen Weg eingeschlagen hat.


Kommentar:
Seit Jahren betreibt der Spiegel eine Hofberichterstattung zum Dalai Lama. Das „kritische“ Magazin ist unter dem Einfluss von Erich Follath, Verfasser eines Buches mit dem bezeichnenden Titel „Das Vermächtnis des Dalai Lama – Ein Gott zum Anfassen“ geradezu in eine Dalai Lama Trance gefallen. Es ist völlig absurd, dass der Religionsführer als politisches Oberhaupt der Exiltibeter, die CIA Aktivitäten nicht abgesegnet haben soll. (Siehe oben)

Der Standard – 14. 06. 2012

Dalai Lama auf CIA-Gehaltliste

TV-Doku: Tibeterchef erhielt in 1950er und 1960er Jahren 180.000 Dollar jährlich
Dharamsala - Noch vor wenigen Wochen bei seinem Besuch in Österreich beinahe in den Himmel gehoben, muss sich der Dalai Lama nun gegen Vorwürfe wehren, er sei jahrelang auf der Gehaltsliste des US-Geheimdienstes CIA gestanden. Das behaupten zumindest einige Zeugen, die in einem Film über Tibet auftreten.

Die in Washington ansässige Dokumentarfilmerin Lisa Cathey sprach mit tibetischen Ex-Guerrilleros und ehemaligen CIA-Agenten für ihre Doku "CIA in Tibet". Der Film soll in den nächsten Monaten veröffentlicht werden. Darin geht es um die Aktivitäten des US-Dienstes in und um Tibet in den 1950er und 1960er Jahren.

Mit der Operation "ST Circus" versuchten die Amerikaner, die beinahe panische Angst vor einer kommunistischen Ansteckungsgefahr in Asien hatten, in dieser Zeit den Einfluss der Chinesen am Himalaya zurückzuhalten. Nach der Eroberung Tibets durch die Volksarmee (1951) und der Flucht des Dalai Lama nach Indien (1959) überwiesen sie den Exiltibetern deshalb pro Jahr 1,7 Millionen Dollar für ihre Aktivitäten. Der Dalai Lama selbst soll 180.000 Dollar jährlich erhalten haben.

Ganz neu sind die Vorwürfe allerdings nicht. Eine Hongkonger Zeitung etwa berichtete bereits vor längerer Zeit darüber, und auch der Dalai Lama selbst hat den Draht aus seinem Umfeld in die USA - seine Brüder stellten den Kontakt her - nicht verschwiegen. Der New York Timessagte er 1993: Die CIA-Operation sei "nicht gesund" gewesen, weil sie nur machtpolitisch ausgerichtet gewesen sei.


Kommentar:
Während der Dalai Lama Besuches in Österreich im Mai 2012 gehörte auch der Standard zu den Zeitungen, die den Kirchenfürsten „in den Himmel gehoben“ haben. Das war 2002 anders, als der Religionsführer in Graz das so genannte Kalachakra-Tantra-Ritual veranstaltete. Damals berichtete der Standard ausführlich mit einem kritischen Artikel darüber. (Ein Kriegsritus beim Dalai Lama: Das Kalachakra) Die zahlreichen und heftigen Proteste von buddhistischer Seite gegenüber dieser mutigen Entscheidung, hat die Redakteure wohl eingeschüchtert, so dass sie jetzt, zehn Jahre danach, zu zahmen Lämmern geworden sind. Entsprechend mager fällt auch der Artikel über die CIA-Connection des Dalai Lama aus.  


Die Presse – Print-Ausgabe vom 12.06.2012

Der Dalai-Lama ist weder Rambo noch Jesus, und auch kein Betrüger

Von Anne-Catherine Simon

Der demnächst erscheinende Dokumentarfilm „CIA in Tibet“ zeigt die Verbindungen des Dalai-Lama zum US-Geheimdienst. Doch diese waren durchaus kühl.

„Wenn wir ein Tier töten, sprechen wir ein Gebet. Als wir Chinesen töteten, kam uns kein Gebet über die Lippen.“ Wie verträgt sich diese Äußerung mit der absoluten Gewaltfreiheit, die der Dalai-Lama im Westen verkündet? Tibeter wie der soeben zitierte kämpften in den Fünfziger- und Sechzigerjahren mit Wissen des jungen Dalai-Lama gegen die Chinesen.

Und wurden von der CIA unterstützt. Das zeigt US-Filmemacherin Lisa Cathey im Dokumentarfilm „CIA in Tibet“, der heuer erscheinen soll (noch unklar ist, wie und wo). Zu sehen ist etwa ein Dokument von 1951, in dem ein Repräsentant des Dalai-Lama die USA um Militärhilfe und Kredite ersucht. Die CIA lieferte nicht nur Geld und Waffen, sie bildete auch tibetische Guerillakämpfer aus.

„Dalai-Rambo“ titelt nun ein als seriös geltendes deutsches Blatt, und Internet-Kommentatoren fühlen sich in der Überzeugung bestätigt, dass der Dalai-Lama ein Betrüger sei. Dabei ist an den „Enthüllungen“ so gut wie nichts neu. Schon Ende der Neunzigerjahre informierte eine BBC-Doku über dieses CIA-Projekt.

Der Dalai-Lama habe ein ambivalentes Verhältnis zur Gewalt, lautet ein zentrales Argument seiner Kritiker. Manche wollen ihm allein schon aus seiner Vorliebe für Bildbände aus dem Zweiten Weltkrieg einen Strick drehen (er finde viele der „Gewaltmaschinen“ darin sehr attraktiv, gestand er einmal der „New York Times“). Oft wird er einfach für die teils gewaltsame Geschichte des (tibetischen) Buddhismus haftbar gemacht. Viele sind aber auch irritiert, weil er, zu konkreten Konflikten befragt, unterschiedlich argumentiert. Den Irak-Krieg fand er irgendwie gerechtfertigt. Mal hat er Verständnis für Gewalt als nationale Verteidigung, dann wieder nur, wenn es um die Rettung von Menschenleben geht.

Aber niemals hat er Gewalt gutgeheißen, anders als etwa der in den USA lehrende tibetische Lama Gehlek Rinpoche. Der sieht die Tötung von Terroristen als ethische Verpflichtung, um sie vor schlechtem Karma zu retten – islamische Extremisten denken, mittelalterliche Inquisitoren dachten schon ähnlich.

In der Doku „CIA in Tibet“ erinnert sich der einstige CIA-Einsatzleiter an den einzigen direkten Kontakt mit dem Dalai-Lama, der offenbar erst nach langem Widerstreben des Tibeters stattfand: „Es war einer der kühlsten Empfänge, die ich je erlebt habe.“ Für seinen Gastgeber sei er offenbar ein Repräsentant der ihm so verhassten Gewalt gewesen. Zu den Details des tibetischen Guerillakampfes schreibt der Dalai-Lama in seiner Autobiografie: „Meine Brüder hielten es für weise, diese Informationen von mir fernzuhalten.“ In den 1970er-Jahren appellierte er dann an die Guerilleros, die Waffen niederzulegen.

Betrachtet man seine lange Biografie, wird man es schwer haben, in der Weltgeschichte einen gewaltärmeren politischen Führer als den Dalai-Lama zu finden. Irritierend ist sein Verhalten nur für jene, die diese schwierige Doppelexistenz aus geistlichem und politischem Führer für eine Art Jesus halten.

Kommentar:
Die Presse war neben den Salzburger Nachrichten (Das Dauerlächeln bringt den Tibetern wenigwohl die einzige österreichische Zeitung, die während des Dalai Lama Besuches etwas Kritisches brachte, nämlich ein Interview mit dem zum Katholizismus konvertierten ehemaligen Buddhisten Paul Williams. (Der-Buddhismus-ist-hoffnungslos ) Insider behaupten, dass Williams, wenn auch inoffiziell, die Position des Vatikans vertritt.

Bezeichnend ist, dass Anne-Catherine Simon ihren Artikel mit dem verkürzten Zitat eines tibetischen Guerillero beginnt: „Wenn wir ein Tier töten, sprechen wir ein Gebet. Als wir Chinesen töteten, kam uns kein Gebet über die Lippen.“ Das Original lautet jedoch: „Da die Chinesen Feinde des Buddhismus waren, hatten wir nie das Gefühl, dass es eine Sünde ist, sie zu töten. Tatsächlich waren wir froh, so viele wie möglich zu töten. Wenn wir Tiere töten, sprechen wir ein Gebet, aber wenn wir die Chinesen töteten, kam uns kein Gebet über die Lippen.“ Es ist tatsächlich eine im tibetischen Buddhismus tief verankerte Doktrin, dass „Feinde des Buddhismus“ getötet werden dürfen, wenn das für das Dharma (die buddhistische Lehre) förderlich ist.  


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Die englische Version des Buches “Der Schatten des Dalai Lama“ finden Sie unter:

© Victor & Victoria Trimondi

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