2013-02-11

FOCUS Magazin: Unheilige Bürgschaft (Ohne die Unterstützung des Dalai Lama, hätte Shoko Asahara sein Sektenimperium gar nicht aufbauen können)

Ohne die Unterstützung des Dalai Lama, hätte der japanische Ober-Guru Shoko Asahara sein Sektenimperium gar nicht aufbauen können.
(Bild: info-buddhismus.de)


© http://www.focus.de/politik/deutschland/sekten-unheilige-buergschaft_aid_156315.html

FOCUS Magazin | Nr. 38 (1995)
SEKTEN Unheilige Bürgschaft
von Werner Bloch
Montag, 18.09.1995, 00:00

Der Chef der Aum-Sekte nutzte Referenzen des Dalai Lama und Kontakte zu deutschen Politikern


Die „Friedensuniversität“ in Potsdam und Berlin, eine Anfang dieses Monats mit schlechter Presse gestartete Großveranstaltung mit Esoterik-Touch, konnte gleich zu Beginn mit einem echten Star aufwarten. Seine Heiligkeit, der 14. Dalai Lama, eröffnete das Spektakel, dem Kritiker sogar Sektennähe attestierten.

Mit ihm als Schirmherren und Garanten für eine seriöse Arbeit steht und fällt der Versuch, eine „Friedensuniversität“ zu gründen. Der Dalai Lama hat nicht zum erstenmal damit zu tun, daß man mit seinem Namen und seinem Bild in höchst zweifelhafter Weise wirbt.

Fotos belegen die Bekanntschaft Seiner Heiligkeit ausgerechnet mit Shoko Asahara, dem Anführer der terroristischen Aum-Sekte. Auf ihr Konto sollen die Giftgasanschläge in Tokios U-Bahn gehen, wo im März dieses Jahres zwölf Menschen getötet und Tausende verletzt wurden.

Mit diesem Foto machte Shoko Asahara in Japan Reklame. Möglicherweise hätte der halbblinde Guru, der ab 26. Oktober in Tokio vor Gericht steht, sein Sektenimperium ohne die Unterstützung des Dalai Lama gar nicht aufbauen können. Sicher ist: Sein rasanter Auftstieg vom Quacksalber und kleinkriminellen Betrüger zum japanischen Ober-Guru binnen weniger Jahre wäre nicht so reibungslos verlaufen.

Insgesamt fünfmal kamen Asahara und der Dalai Lama zusammen, zuerst im Februar 1987 in Indien. Danach stellt der tibetische Gottkönig dem Mann zwei – spätestens jetzt höchst peinliche – Empfehlungsschreiben aus.

Am 26. Mai 1989 erklärt der Dalai Lama in einer Urkunde, Asaharas Aum-Truppe praktiziere den Mahayana-Buddhismus und strebe seines Wissens danach, „das öffentliche Bewußtsein durch religiöse und soziale Aktivitäten zu fördern“.

Bereits einen Tag zuvor hatte der „Rat für religiöse und kulturelle Angelegenheiten Seiner Heiligkeit des Dalai Lama“ Meister Asahara als einen „kompetenten religiösen Lehrer“ und „erfahrenen Meditationsausübenden“ gelobt. Und das noch: „Aum strebt nach unserem besten Wissen an, das öffentliche Wohl durch verschiedene religiöse und soziale Aktivitäten zu fördern, zum Beispiel durch Unterricht in buddhistischen Lehren und Yoga.“ Die Religions- und Kulturexperten des Dalai Lama empfahlen insbesondere die „ethischen Übungen“ in den Aum-Seminaren.

Folgerichtig forderte das Außenministerium des Dalai Lama, die Aum-Sekte solle wegen ihrer „in hohem Maße schätzenswerten Ziele“ von der Steuer befreit werden.

Mit solchen Referenzen ausgestattet, schafften es die Sektenjünger schon im August 1989, sich von den Tokioter Behörden den Status der Gemeinnützigkeit zuerkennen zu lassen. Dies hatte Asahara bis dahin schon seit Jahren erfolglos versucht – mit Hilfe der Empfehlungsschreiben Seiner Heiligkeit, des auch in Japan sehr geachteten Dalai Lama, gelang der Coup in nur neun Wochen. Das Ergebnis: Shoko Asahara brauchte keine Steuern mehr zu zahlen und konnte die angehäuften Mittel ungestört in die Giftgasproduktion investieren.

Empfehlungsschreiben und Fotos konnte Asahara aber auch blendend zur Mitgliederakquisition nutzen.

Da schien es auch nichts mehr auszumachen, daß Asahara für die japanische Polizei zu diesem Zeitpunkt längst kein Unbekannter mehr war. Sie hatte den Sektenchef wegen des „Verkaufs falscher Medikamente“ bereits einmal festgenommen.

Das konnte der Dalai Lama im Zweifelsfall nicht wissen. Aber sind ihm oder seinen Mitarbeitern die Schlagzeilen entgangen, die von dem spurlosen Veschwinden eines Rechtsanwalts kündeten, der sich als Vertreter der Opfervereinigung von ausgestiegenen Aum-Mitgliedern einen Namen gemacht hatte? Hat niemand im Umfeld Seiner Heiligkeit von der Razzia erfahren, die die Polizei Ende 1990 in Asaharas Haus der „höchsten Wahrheit“ durchgeführt hat?

All die Jahre hat der Dalai Lama sich nicht von seinem angeblichen Zögling Asahara distanziert.

Noch am 7. April dieses Jahres, nur 18 Tage nach dem Giftgasanschlag auf die Tokioter U-Bahn, sagte der Dalai Lama gegenüber der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo News Service, er sehe in dem Aum-Chef einen „Freund, wenn auch nicht unbedingt einen vollkommenen“. Erst bei seinem jüngsten Besuch in Japan rückte der Dalai Lama von Aum ab.

Eine Erklärung für die vornehme Zurückhaltung des Dalai Lama liefern vielleicht die Spenden, die Aum für „buddhistische Schüler“ im indischen Exil gegeben hat. Der Dalai Lama bedankte sich dafür in seinem Empfehlungsschreiben vom 26. Mai 1989: „Aum hat großzügige Spenden bereitgestellt für unsere buddhistische Exil-Gemeinschaft, insbesondere für Mönch-Studenten, die kürzlich aus Tibet hier eingetroffen sind. Diese Spenden waren sehr nützlich und werden von uns sehr geschätzt.“

In seinem Buch „Supreme Initiation“ behauptet Asahara, er sei vom Dalai Lama selbst in die buddhistischen Mahayana-Traditionen initiiert worden. Der Gottkönig habe ihn sogar persönlich mit der Reform des Buddhismus in Japan beauftragt: „Du sollst den wirklichen Buddhismus dort verbreiten. Das kannst du sehr gut.“

Mittlerweile haben „die Enthüllungen über Asahara ziemlichen Wirbel im Büro des Dalai Lama ausgelöst“, sagt Kelsang Gyaltsan, persönlicher Sekretär Seiner Heiligkeit. An dessen Haltung habe sich aber nichts geändert – er verzichte noch immer weitgehend auf eine Überprüfung der Personen, die um seine Hilfe bitten. Und auf die FOCUS-Frage, ob sich ein Vorgang wie bei Aum wiederholen könnte, zuckte der engste Berater Seiner Heiligkeit die Schultern. Der Dalai Lama sei nun mal ein hilfsbereiter und offener Mensch.

Immerhin: Der Dalai Lama kann sich damit trösten, daß Asahara auch andere aufs Kreuz gelegt hat – auch deutsche Politiker, die mit Vereinnahmungsversuchen Erfahrung haben müßten. So empfingen noch im November 1989 Politiker wie der spätere Kultusminister Brandenburgs, Hinrich Enderlein (FDP), und der damalige deutschlandpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Hans Büchler, den wirren Guru in Bonn. Die Fotos dieser Begegnungen, die jetzt vom Sektenbeauftragten der berlin-brandenburgischen Landeskirche Thomas Gandow aufgetrieben wurden, nutzte Asahara für seine Propaganda. In Aum-Broschüren publiziert, sollten sie den Anhängern demonstrieren, wie anerkannt ihr Anführer sei. Merkwürdigerweise können sich weder Enderlein noch Büchler daran erinnern, den Sektenführer empfangen zu haben.

Der Dalai Lama dürfte sich noch lange an die Peinlichkeiten erinnern, die ihm sein Freund Asahara beschert hat. In der engsten Umgebung des tibetischen Gottkönigs fühlt man sich dementsprechend unwohl. Denn dort weiß man: Der Dalai Lama ist ein wunderbarer Mensch, eine unkomplizierte Persönlichkeit, der für jeden ein offenes Ohr hat – manchmal eben auch für die Falschen.

ZU GAST BEI DEUTSCHEN POLITIKERN

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