2012-06-13

Journalistkritisiert Dalai Lama-Berichterstattung

25.05.2012 - 15:01 | Relevant (http://relevant.at/wirtschaft/medien/576208/journalist-kritisiert-dalai-lama-berichterstattung.story)

"Medien gehen Dalai Lama unkritisch auf den Leim"
© APA"Medien gehen Dalai Lama unkritisch auf den Leim"


Der Journalist und Autor Gerald Lehner hat die Berichterstattung während des Besuchs des Dalai Lama in Österreich kritisiert. "Westliche Medien und Politiker gehen dem Dalai Lama unkritisch auf den Leim", sagte Lehner, der bei ORF Salzburg arbeitet, am Freitag im Gespräch mit der APA.

Dies überrasche ihn besonders, als das religiöse Oberhaupt der Tibeter einen problematischen Umgang mit der NS-Vergangenheit seines Freundes Heinrich Harrer an den Tag lege. Der Dalai Lama befindet sich derzeit auf einem mehrtägigen Österreich-Besuch. Bei einem Besuch im Kärntner Ort Hüttenberg, der Heimat des verstorbenen Harrer, würdigte der Tibeter den Lehrer seiner Jugend: "Er hat mich gelehrt, was europäische Kultur ist, was Demokratie ist".

Die Ehrung stößt Lehner sauer auf: Er verwies darauf, dass Harrer vor seiner Reise zum Himalaya und anschließender britischer Lagerhaft in Indien Mitglied in NSDAP und SS war. Mit seiner Würdigung habe der Dalai Lama die NS-Vergangenheit Harrers "subtil verteidigt", sagte Lehner. Dies weise auf einen fragwürdigen Umgang des tibetischen Religionsoberhauptes mit der europäischen Vergangenheit hin: "Dalai Lama hat sich bis heute nicht wirklich vom Nationalsozialismus distanziert", so der Autor, der 2007 seine Recherchen zur Nazi-Vergangenheit Harrers in Buchform publizierte ("Zwischen Hitler und Himalaya"). Als Grund vermutet er schlicht "Desinteresse" des Tibeters an der europäischen Geschichte.

Der Salzburger Autor fordert einen reflektierten Umgang mit der Rolle des Dalai Lama ein. Er finde es erstaunlich, mit "welcher Macht es die Exilregierung schafft, als einziger Kommunikator" tibetischer Anliegen in westlichen Medien aufzutreten. "Auch ist es unverständlich, dass Journalisten in Österreich damit zufrieden sind, keine Fragen zu stellen, oder wenn Fragen gestellt werden, Plattitüden als Antwort zu bekommen".

Auch darüber hinaus sieht Lehner viel kritikwürdiges am Dalai Lama. So verbiete der tibetische Religionsführer die Debatte über die Grundlagen seines Machtsystems. Aus Gesprächen mit buddhistischen Mönchen und Exil-Tibetern habe er erfahren, dass innertibetische Kritiker von der Religionsführung eingeschüchtert würden. Der Dalai Lama habe zwar angekündigt, sich von der politischen Führung der Exil-Tibeter in Dharamsala zurückziehen und sie gewählten Politikern zu überlassen, freilich sei die Dominanz der religiösen Führung weiterhin allgegenwärtig und die Gesellschaft "zutiefst im Mittelalter verhaftet" und noch immer von starken Hierarchien geprägt. Dem Westen werde ein "schöner Wunschtraum" von Demokratie und Meinungsfreiheit innerhalb des tibetischen Exils vorgespielt.

(APA)

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